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Weil Vögel eine Seele haben …

Weil Vögel eine Seele haben …

Im Suaheli, der Lingua franca Ostafrikas, haben Vögel in der Regel keine Artnamen – sie heissen einfach Ndege, Vogel. Auch Flugzeuge heissen Ndege. Was sind sie denn anderes als eben auch grosse, schnelle, stählerne Vögel, die sich vom Boden erheben können? Denn was einen Vogel ausmacht, ist der Umstand, dass er fliegen kann – egal, ob er aus Fleisch und Blut und Federn gemacht ist oder aus Leichtmetall, Schrauben und Motorteilen.
Egal?
Nein, natürlich nicht. Der Afrikaner denkt im Grunde eigentlich weit differenzierter als wir: Wichtig ist nicht, woraus der Vogel besteht und ob er fliegen kann (der Strauss z.B. kann es ja auch nicht!), wichtig ist nur, ob er eine Seele hat oder nicht. Vögel aus Fleisch, Blut und Federn haben eine Seele – alle andern nicht! So einfach ist das.
Das Suaheli-Wort Ndege für Vogel ist daher für alle, die sich in die Luft erheben können, gleich. (Der Vogel Strauss hat übrigens ein eigenes Wort: Mbuni). Das Verb hingegen, z.B. -ruka für Fliegen (das für den Strauss ohnehin nicht gebraucht wird), wird ganz unterschiedlich konjugiert, je nachdem, ob man von einem richtigen oder nur von einem künstlichen Vogel spricht. Denn der richtige Vogel aus Fleisch und Blut gehört, wie Menschen und alle Tiere, in die sogenannte Wa-Klasse, d.h. in jene Klasse, wo alle die sind, die leben und fühlen und Glück und Leid empfinden, eben: eine Seele haben. Und der künstliche Vogel aus Metall und Motor gehört, wie alles, was auf dieser Welt „nicht ganz richtig“ ist, in die N-Klasse, die Klasse der Neutra, wo jene sind, die nicht leben, keine Freude und keine Not empfinden, eben: keine Seele haben.

Wir haben im Fundus der Safari-Fotos gestöbert und Ndege zusammengetragen, die wir im letzten August und September in den Parks und Reservaten Südtansanias – in Selous, Ruaha, Mikumi und Katavi – beobachten konnten: 138 Arten waren es insgesamt, eine beeindruckende Zahl für nur zwei Pirsch-Wochen, die ich meinem Zoologen-Gatten verdanke, der darüber wie stets akribisch Buch geführt hat. Einige davon sind hier zu sehen: Vom grossen schwarz-weissen Sattelstorch mit dem rot-gelben Schnabel und den dunklen Augen (Männchen) bzw. den gelben Augen (Weibchen) bis zum kleinen weissen Kuhreiher, dem getreuen Begleiter der grossen Huftiere. Vom Schreiseeadler, der seinem durchdringenden Ruf die Bezeichnung „voice of Africa“, Stimme Afrikas, verdankt, bis zum unscheinbaren Schattenvogel mit dem hammerförmigen Kopf und dem riesigen Nest. Vom farbenprächtigen Kronenkranich, dem eleganten Nationalvogel Ugandas, bis zum buntschillernden Malachitkönigsfischer, einem Eisvogel-Verwandten, der wie ein schwirrender Diamant über dem Wasser tanzt und vom immer gleichen Zweig aus seine Jagdköpfler auf kleine Fische startet.

Wir wissen, dass unter unseren Bekannten viele Vogelfreunde sind, die, wie die Afrikaner, ebenfalls an die Seele im Vogel glauben. Ihnen allen sei diese kleine Foto-Safari durch Tansanias reiche Vogelwelt gewidmet. Als Feature von Momentaufnahmen kann sie allerdings nur ansatzweise eine ganz kleine Ahnung vermitteln von der Seele, die in jedem Vogel, jedem Tier, jedem Lebewesen, in der ganzen Wa-Klasse eben, steckt…