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Chui kam nachts um eins / Safari-Notizen aus Tanzania (VII)

Chui kam nachts um eins / Safari-Notizen aus Tanzania (VII)

Vorgestellt hat sich uns der König von Katavi schon vor zwei Jahren, und zwar so beeindruckend, dass uns das Zusammentreffen noch immer in den Knochen steckt und wir diesen Leoparden nolens volens zu „unserem“ Chui ernannt haben: Nachts zwischen eins und viertel nach eins weckte uns sein drohendes Knurren aus dem Schlaf. Chui, der Leopard, war direkt vor unserem Zelt (wie dünn sind denn diese Zeltleinwände eigentlich??) und tat unüberhörbar kund, dass dies s e i n Katavi sei und ihn unsere Anwesenheit, gelinde gesagt, ärgerte. Es war eine lange und ziemlich beeindruckende Viertelstunde im Dunkeln, zusammengekauert auf dem Feldbett sitzend, in fast schon „hautnahem“ Zwiegespräch mit unserem Chui, wobei er um vieles lauter war als wir…

Die Spuren am nächsten Morgen bestätigten uns: „Madoadoa“, wie die afrikanischen Freunde alles Getupfte, Gefleckte nennen, war in der Tat da gewesen und hatte schlechte Laune gehabt – ein grosser Leopardenkater, „resident“ hier und König unseres Camps, wie Nazir, Husseini und die ganze Camp-Crew bestätigten.

Im nächsten Jahr sahen und hörten wir eine ganze Woche lang nichts von ihm. Eine halbe Stunde vor unserer Abreise lag er dann aber in der Nähe des Airstrips auf einem Ast, um unseren Auszug aus seinem gelobten Land ja nicht zu verpassen: in der Tat ein imposanter Leopardenkater, kraftvoll und dunkel, in seinen besten Jahren. Geknurrt hat er da nicht – er gähnte und schaute ganz einfach durch uns hindurch. „Kwa heri“, auf Wiedersehen auf Leopardisch, in seinen gelben Augen ganz Afrika.

Tief in unserem Innern hatten wir auch für 2016 ein Date mit ihm abgemacht – ob er kommen würde? Bei Leoparden weiss man das nie so genau. Sie sind schlau: Wenn sie nicht wollen, dass man sie sieht, fällt es ihnen nicht schwer, sich im „majani“, im dichten Unterholz, zu verstecken. Doch Chui kam: Plötzlich, nach einer Biegung, war er da, lief unverhofft im geschmeidigen Trab vor uns auf der Fahrpiste, offensichtlich zog auch er den Menschenpfad dem mühsamen Fortkomen im hohen Gras vor. Seelenruhig folgte er der „barabara“, bestimmte ein gemächliches Tempo und tat, als hätte er uns nicht gesehen. Blieb schliesslich kurz stehen, schaute eine ewiglange Sekunde durch uns hindurch und markierte dazu ausgiebig ein Grasbüschel am Strassenrand: M e i n Katavi!

Kwa heri, chui, kwa kuonana. Ob wir uns nächstes Jahr wieder sehen?

Bis dann bleiben uns einige Bilder von ihm, unscharf, dunkel, verwackelt, aber unvergessliche Erinnerungen an „unseren“ Chui. Der Strassen-Leopard von diesem und der Baum-Leopard vom letzten Jahr. Das nächtliche Knurr-Konzert des vorletzten Jahres muss (im buchstäblichen Sinne) im Dunkeln der Erinnerung bleiben…